Július Koller

Kölnischer Kunstverein, Köln, 16.9.2003

S.R.: Was würden Sie als den stärksten Einfluss auf Ihre Arbeit bezeichnen?

J.K.: Ich denke, das ist Dada-Kunst oder Dada-Kultur, mit, persönlich mit Duchamp nenne ich. Die Idee, dass Künstler arbeiten mit einem Gegenstand aus dem täglichen Leben und durch Kunst etwas über Kunst sagen kann, durch Kunstausstellung; ein Gegenstand als Kunst nennen und dann über alles Kunst etwas Neues reformieren. (Krach) Der Sound stört mich oder Sie. Dieser Bohrungskrach oder Sound stört unser Gespräch oder euren Film, vielleicht wie ich meine Kunstarbeit mache, und diese Arbeit stört die traditionelle Kunst in unserem Land, in unserer Gegend.

S.R.: Nun haben Sie als den stärksten Einfluss Marcel Duchamp genannt. Das ist der stärkste Einfluss, den Sie benennen würden? Oder gibt es noch andere? Gibt es einen Favoriten, den Sie haben, in der Geschichte der Kunst, außer Marcel Duchamp?

J.K.: Vorher, vor Duchamp waren es solche Künstler wie van Gogh mit seiner Zusammenführung von Leben und Kunst; nicht nur Kunst, aber das ganze Leben des Malers.

S.R.: Würden Sie sagen, dass eine künstlerische Haltung jenseits des Mediums interessant ist? Also Sie sagen Marcel Duchamp, der etwas  ganz anderes macht als z.B. van Gogh?

J.K.: Van Gogh war für meine Studien, die ersten Studienjahre – und vorherigen Studienjahre in Studium Malerei, dann aber genügte mir dieser malerische Ausdruck und künstlerischer Ausdruck nicht mehr. Und dann wollte ich etwas mehr im Zusammenhang mit meinem Leben, mit Leben allgemein finden; und dieser Marcel Duchamp war für mich ein Vorbild – nicht Vorbild, aber eine Person, eine Kunst, die mir Antworten für weitere Fragen gab. Meine Frage: was ist Kunst? eröffnet das Problem Kunst für mich. Dass Kunst nicht traditionelle Handarbeit sein muss.

S.R.: Im Anschluss an diese Frage dieser Beeinflussung oder Vorbilder – Sie haben schon gesagt, dass Sie sehr stark interessiert die Verbindung von Kunst und Leben. Können Sie benennen oder würden Sie sagen, was das Ziel ihrer Kunst ist, was Sie mit Ihrer Kunstpraxis verfolgen?

J.K.: Ich wollte intervenieren ins Leben – als Künstler; ich wollte aus dem täglichem Leben etwas Persönliches machen und eigentlich etwas Spezielles und Originelles vielleicht.

S.R.: Wann ist der Begriff “konzeptuell” Ihnen bewusst geworden? Oder wann haben Sie davon gehört? Wann haben Sie diesen Begriff entdeckt?

J.K.: Ich denke, um 1969 vielleicht, aus einigen Zeitschriften und Katalogen und im Fernsehen, österreichisches Fernsehen. Aber in dieser Zeit wusste ich nicht genau, was das ist, weil ich keine Ausstellung, keine konkreten Arbeiten in einer solchen Richtung sehen konnte, das musste ich mir denken, was das ist, weil ich mache solche Sachen ohne zu Wissen, dass ich eine konzeptuelle Kunst machte. Vorher, 1963, noch im Studium auf Akademie.

S.R.: Zu dieser Zeit kannten Sie auch schon Marcel Duchamp?

J.K.: Ja. Aus Büchern. Aus einer Bibliothek in der Akademie. Und Zeitschriften vielleicht, Kataloge.

S.R.: Glauben Sie, dass die Paradigmen, die Grundsätze konzeptueller Kunst – wenn man das überhaupt sagen kann – glauben Sie, dass diese Grundsätze noch in Funktion sind/noch funktionieren gegenwärtig?

J.K.: Das ist eine schwere Frage, denn alles kann zu einer akademischen Position werden, und ich bin nicht sicher, ob nicht auch der Post-Konzeptualismus in einer solchen Lage, in eine akademische Situation, weil es ist viele Jahre und viele Künstler machen solche Arbeiten, sind in solche Positionen, verbreitet und auch verschönern diese Position. Aber ich weiß nicht, ob ich ein Post-Konzeptueller bin, wenn ich ein Konzeptueller war. Ich weiß nicht… Ich bin jetzt ein alter konzeptueller Künstler. Ich weiß nicht.

S.R.: Ich glaube persönlich, dass die Frage, ob etwas alt oder neu ist, halte ich für nicht so Ausschlag gebend. Also mich würde eher interessieren Ihr Zugang zur Gegenwart. Wie würde in der Gegenwart Ihr konzeptuelles Credo aussehen. Wie kann man die konzeptuelle Frage/konzeptuelle Ansätze aktualisieren. Wie verstehen Sie die konzeptuelle Kunst in der Gegenwart, Ihre eigene?

J.K.: Die klassische konzeptuelle Kunst, oder…?

S.R.: Nein, Ihre eigene Praxis in der Gegenwart. Es liegt ja irgendwo ein Versuch zu Grunde, auch in der Gegenwart konzeptuell weiter zu arbeiten. Und die Frage wäre jetzt: Gibt es ein klassisches Modell, das man immer wieder ansetzt, oder verwandeln Sie Ihren eigenen Ansatz?

J.K.: Ich denke, ich verwandle dieses Prinzip, weil ich denke nicht, dass jetzt mache ich konzeptuell etwas oder konzeptuelle Kunst oder konzeptuelle Antikunst, denn ich bin auch jetzt in derselben Situation. Ich interveniere ins normale, tägliche Leben mit meinen Gedanken oder meine ad hoc-Aktionen. Meine Kultur-Situationen sind nicht vorher durchgedacht, ich reagiere auf die momentane Situation, in der ich bin. Darum denke ich nicht konzeptuell oder nicht-konzeptuell. Ich weiß nicht, ob das ist jetzt eine konzeptuelle oder konzeptualistische Haltung ist.

S.R.: Wie würden Sie denn Ihren Bezug dazu Ihre tägliche Arbeit als Künstler beschreiben? Wie sieht Ihre tägliche Arbeit aus, wenn Sie sie ideal beschreiben?

J.K.: Tägliche Arbeit ist schwer zu beschreiben, meine tägliche Arbeit ist eine schwer beschreibliche Situation, denn ich denke über den Zusammenhang von Kunst und Leben, und wenn ich eine gute Idee habe, dann mache ich aus dieser Idee ein – nicht Kunststück, aber eine kulturelle Situation. Was ich sehe im Leben, was für mich wichtig ist, das fixiere ich vielleicht durch Fotografie oder durch Zeichnung oder mit anderem Medien, von denen ich denke, das sie die besten Medien für diese Idee oder für diese Situation sind. Das ist keine Atelierarbeit. Ich habe kein Atelier, ich habe nur Wohnung, ich habe nur einen Lagerraum für ältere Sachen und für Bücher und Zeitschriften; ich habe große Sammlungen alter Zeitschriften, und auch die älteren Objekte. Und in der Wohnung oder auf dem Balkon oder in der Küche mache ich auch einige Artefakte; nicht nur mit Fotosituationen, auch einige Artefakte, was ich fürher Anti-Bilder genannt habe und das ich jetzt gar nicht benenne. Das sind Bilder mit Zeichnungen, die für mich wichtig sind.

S.R.: Wenn Sie diese Situation, die Arbeitssituation betrachten von sich selbst, würden Sie sagen, dass sich diese Arbeitssituation grundsätzlich geändert hat zu den 60er Jahren, also jetzt von der Struktur der Arbeit?

J.K.: Nein.

S.R.: Und die Umgebung, der gesellschaftliche Kontext, wie würden Sie das bezeichnen? Wie hat sich das verändert im Verhältnis zu Ihrer eigenen Praxis?

J.K.: Die Umgebung ist besser für solche künstlerische Arbeit; die Umgebung ist breiter und jünger, und das ist auch für meine Arbeit, für meine Bewegung in der Kunstwelt besser als in der vorigen Zeit.

S.R.: Gut. Im Prinzip habe ich jetzt alle Fragen einmal durch. Und ich glaube, dass die Fragen alle sehr ergiebig beantwortet wurden von Ihnen. Jetzt ist die Sache, wenn Sie mit irgendwas aus Ihrem Gefühl heraus unzufrieden sind, möchten Sie irgendeine dieser Fragen noch mal beantworten oder möchten Sie noch etwas hinzufügen, was Ihnen ganz wichtig ist?

J.K.: Nein. Das war ganz genau.

S.R.: Dann bedanke ich mich.

J.K.: Danke auch.