Geert Lovink

Akademie der Bildenden Künste, München 5.11.2004

(Exzerpt)
G.L.: Klar, kann man das Internet als einen konzeptuellen Raum verstehen, weil doch recht viel dort abstrakt ist und auch so bleiben wird. Also als abstrakter Raum, als potentieller Raum beeinflusst es sehr viele Leute, die dahin gehen und versuchen, dort ihre Konzepte selbst umzusetzen. Also in dem Sinne ist es im positivsten Sinne ein Möglichkeitsraum, wo man mit sehr vielen unterschiedlichen Ansätzen arbeiten kann. Das läuft von Code – also von Source Code – bis zu recht komplizierten 3D-Räumen, wo Leute sich interaktiv in eine vernetzte Umgebung, z. B. als Avatare begegnen. In dem Sinne gibt es eine ganz große Palette an Möglichkeiten.

Was die Konzepte selbst betrifft, glaube ich, dass das Internet selbst keine neuen Konzepte produziert, sondern – muss man das sehen, dass es ein vernetzter Raum ist, ein sozialer Raum ist! D.h. die Konzepte kommen eigentlich aus ganz unterschiedlichen Disziplinen und Erfahrungen. Sie kommen aus der Sozialen Bewegung, aus der Architektur, aus der Bildenden Kunst, aus der Theorie, aus Marketing und Wirtschaft. Also, da hat es sehr viele Source-Codes, was Konzepte angeht.

S.R.: Ich wollte auch noch hinaus auf den Begriff des Konzepts selbst – also, inwiefern ist im Internet, jetzt mit der digitalen Umsetzung quasi erstmalig gegeben, dass ein Entwurf, der begrifflich – d.h. in einem Programmcode – gefasst wird, ein Konzept? Inwiefern funktioniert das jetzt erstmalig?

G.L.: Ich glaube, ein sehr schönes Beispiel ist „Open Source“ – als Idee. Und da kann man sehr gut sehen, was ein Konzept in diesem Kontext ist. Open Source ist für viele mit Technik-Hintergrund, die als Programmierer tätig sind, einfach ein (fast) legales Verfahren. Man schreibt einen Code, stellt ihn zur Verfügung und daran verbindet man eine Lizenz. Und diese Lizenz sagt, dass jeder es brauchen kann und benutzen kann. Es muss aber, natürlich angegeben sein, wo es her kommt, usw. Also, da ist Open Source ziemlich buchstäblich gemeint. Trotzdem aber, natürlich sehr, sehr klar eingebettet in eine juristische Struktur. Open Source ist erstmal eine juristische Aussage.

Andere haben aber diese Lizenzen ganz, ganz anders gelesen. Und z.B. arbeiten sie damit jetzt zum Beispiel, und sagen, dass es Wissen ist, was produziert wird, und z.B. an Universitäten oder an Forschungsinstituten allen zur Verfügung stehen soll. Das es nicht privatisiert werden soll. Das es nicht versteckt wird. Es ist eigentlich eine ganz andere Leseart.

Ja, aber für andere wieder, die lesen Open Source als “Copy Left“ und dass die Bilder, die von anderen Künstlern gemacht werden, dass man die frei benutzen darf. So kann man das sehen. Es ist ein Konzept, was anfängt, und was ganz viele Konsequenzen und Lesearten mit sich bringt