Adrian Piper

Museum Ludwig, Köln, 9.7.2002

S.R.: The first question is: What was your biggest influence? Which practice in the history was or is your favourite?

A.P.: Ja, ich glaube mein großer Einfluss war wahrscheinlich Sol Lewitt. (Wdh.) Ja, bei mir war der größte Einfluss von Sol LeWitt. Ich fand seine Praxis und seine Kunst für mich sehr wichtig, weil er viele verschiedene Aspekte von Kunst zusammengebracht hat. Formale Idee und Schönheit mit Inhalt, also System, und Selbstbetrachtung – eine reflexive Praxis. Und auch, dass er sich mit Ideen beschäftigt hat. Ich fand das für mich sehr wichtig. Und besonders sein Stück „46 variations on three different kinds of cubes“. Das war für mich die Hauptsache.

S.R.: Können Sie diese Praxis oder eine Beeinflussung davon in irgendeiner Weise in Ihrer eigenen Arbeit finden, oder versuchen Sie, darauf zu referieren?

A.P.: Ja, ich benutzte immer so eine Mitteilungsstrategie, die ich von Sol gekriegt habe. Und das ist die Idee von Serie, wobei ich nicht nur ein Stück über eine Idee mache, sondern verschiedene Stücke, die besondere Eigenschaften zusammensetzen, zum Beispiel. Ich benutze ein Bild von jemand in verschiedenen Zusammenhängen, mit verschiedenen Texten, in verschiedenen Umgebungen. Und ich benutze das, weil ich glaube, nach einem bestimmten Punkt ist es willkürlich, wie man sich einen Menschen vorstellt. Es ist sowieso unmöglich, die Einzig(artig)keit eines Menschen zu kapieren. Wir können das nicht durch Begriffe, nicht durch Sprache, nicht durch Wörter kapieren. Und ich möchte den Punkt machen, durch Serie und Zusammenhänge.

S.R.: Jetzt vielleicht… wollen Sie noch etwas sagen dazu?

A.P.: Ja, so, ich könnte eigentlich mehr dazu sagen, weil Sol hat sich auch mit Minimalismus beschäftigt. Und das ist für mich eine sehr wichtige Form von Kunst: alles ganz einfach zu machen, ganz klar zu machen. Keine Vielfältigkeit zu untersuchen, sondern alles so klar zu machen wie möglich. Es gibt wahrscheinlich andere Sachen, die mir in der Zeit nicht einfällt. Entschuldigung.

S.R.: Vielleicht kommen wir zur dritten Frage. In der können Sie, wenn Sie wollen, auch noch mal gerne auf Sol Le Witt oder andere Punkte Stellung nehmen. Die dritte Frage würde sich danach richten, welche Formen von Konzeptkunst seit den 1990er Jahren und vor allem in der Gegenwart denkbar sind, die mit den alten Ansätzen arbeiten? Oder inwieweit müssen diese alten Ansätze auf neue Zeiten, auf andere Zeiten, die Gegenwart, verändert werden?

A.P.: Meiner Meinung nach gibt es einen großen Unterschied zwischen Konzeptkunst der 60er Jahre und neuerer Konzeptkunst, und das ist, dass wir nun politisch raffinierter sind. Und wir können uns meiner Meinung nach keine großen idealen utopischen Ideen vorstellen, ohne eine Kritik dabei zu haben, weil wir einfach mehr wissen, was los ist. Außerdem, soweit Medien betroffen sind, haben wir so groß eine Wahl wie vorher.

S.R.: Das heißt, die Auswahl ist größer…

A.P.: Auswahl, Entschuldigung!

S.R.: …also die Auswahl, oder die Menge der Medien, die zur Verfügung stehen, ist größer.

A.P.: …genau, das habe ich gemeint.

S.R.: Es gibt ja nun einige, man könnte sagen, konzeptuelle Strategien in der Gegenwart, die konzeptuell aussehen von ihrer Ästhetik her, oder von Ihrem Visuellen, die sich aber sehr wenig um philosophische oder sprachanalytische Medien-Selbstreflexivität kümmern. Diese Kunstformen sehen oft aus wie Konzeptkunst, haben aber vielleicht ihre kritischen Implikationen hinter sich gelassen. Und andererseits gibt es aber konzeptuelle Verfahrensweisen wie Ihre eigene, die sich ja auch verändert hat in den letzten zwanzig Jahren, dreißig Jahren… und andere Strategien, die sich z.B. mit Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Xenophobie beschäftigen, und dabei auch konzeptuelle Verfahrensweisen anwenden. Wie würden Sie die Bedingungen für diese Formen von kritischer Kunst gewandelt sehen?

A.P.: Die Bedingungen für diese Art von Konzeptkunst sind ganz einfach, glaube ich, dass man einfach selbstkritisch sein sollte, dass man ein bisschen Selbstbewusstsein gewinnen sollte, um diese Art von Kunst zu machen. Sogleich man diese Art von Selbstbewusstsein hat, ist es dann möglich, eine Art von selbstreflexiver Kunst herzustellen – Hab ich das richtig gesagt? – produzieren?

S.R.: Und wie schätzen Sie die Chancen ein in der Gegenwart für diese Kunst? Glauben Sie, dass diese Kunst eher am Abflauen ist, dass das Interesse dafür geringer wird, oder glauben Sie, dass die Wichtigkeit dieser Kunst so immens ist, dass man darüber nicht nachdenken sollte, ob gerade eine Konjunktur dafür oder dagegen herrscht?

A.P.: Das Letzte habe ich nicht gehört.

S.R.: Es gibt gewisse Konjunkturen in den Publikumsinteressen. Mal sind mehr konzeptuellere Strategien interessant, mal weniger interessant. Und alten Sie es für wichtig, sich nach diesem Publikumsinteresse zu richten oder nicht danach zu richten?

A.P.: Das Letzte. Ich glaube, man kann nur diejenige Kunst machen, die man machen muss. Und wenn man Kunst macht, um sich auf das Publikum einzurichten, dann gibt man dem Publikum, was es will, aber nicht immer, was es braucht. Und was es braucht, ist eine kritisch selbstbewusste Kunst, die das Publikum selber kritisiert. Und natürlich hat das Publikum so eine Art von Kunst nicht so gerne, aber trotzdem muss das gemacht werden.

S.R.: Sie haben es schon eben gesagt, man muss diese Kunst machen. Wie würden Sie das begründen, also wie würden Sie z.B. philosophisch die Begründung für eine kritische Kunst formulieren?

A.P.: Begründung… (lacht) Ja, es kommt aus diesem Grund, dass Kunst immer von der Umgebung und der Geschichte des Künstlers beeinflusst ist. Und um diesen Einfluss stark und machtvoll zu benutzen, muss man ein bisschen darüber (nach)denken, was für einer Umgebung man erzogen worden ist; aus was für einer Geschichte man herauskommt. Und wenn man darüber nachdenkt, produziert man eine Art von selbstbewusster Kunst, und das ist eine Kunst, die dauert. Die Notwendigkeit dieser selbstbewussten Kunst kommt daraus, dass jeder Künstler eine Art von Kunst machen will, das dauert. Und ich glaube nur – besonders in dieser Gegenwart, nur eine Kunst, die selbstbewusst ist über Geschichte und Umgebung – kann dauern.

S.R.: Vielen Dank, das war vielleicht ein schönes Schlusswort.